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Artikel

Anschlag in Hanau: Gedenken zum 5. Jahrestag

Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov – heute vor fünf Jahren wurden sie durch einen rassistischen Terroranschlag in Hanau brutal aus ihrem Leben, ihren Familien und unserer Gesellschaft gerissen. Unsere Gedanken sind bei den Opfern, den Menschen, die getötet wurden – sie waren Hanauer und Hanauerinnen, Söhne und Töchter, Nichten und Cousins, Arbeitskolleg*innen, Nachbar*innen und Freund*innen. Wir denken an ihre Angehörigen und ihre Freundinnen und Freunde.

Menschen mit Migrationsgeschichte wissen genau, wie sie sich am 19. Februar 2020 und in den darauffolgenden Wochen gefühlt haben: Der Schmerz darüber, aufgrund ihrer Herkunft zur Zielscheibe von rechtsextremem Hass zu werden, das Gefühl der Unsicherheit, die Sorgen um die eigene Zukunft in diesem Land. Für viele ist dieser Tag eine schmerzvolle Erinnerung. Dieser Tag ist aber auch eine Mahnung: Rassismus und Diskriminierung können tödlich enden. Dieser Tag mahnt uns, für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft einzustehen.

Recht auf Sichtbarkeit und Sicherheit

Aus dem Erinnern muss für alle Demokratinnen und Demokraten konkretes Handeln folgen. Das Ziel von Rechtsextremen ist, Menschen mit Migrationsgeschichte einzuschüchtern und aus dem Alltag zu verdrängen. Unsere laute, vernehmbare Antwort darauf ist: Sie haben ein Recht auf Sichtbarkeit und Sicherheit in diesem Land. Dieses Recht schützen wir. Jeder vierte Mensch mit Migrationsgeschichte denkt aufgrund des Erstarkens von rechtsextremen Kräften derzeit darüber nach, Deutschland zu verlassen. Auch nach den polarisierenden Debatten zur Migrationspolitik in den letzten Wochen fragen sich viele von ihnen, ob Deutschland noch ihre Heimat ist. Das werden wir nicht akzeptieren. Es liegt an uns allen, zur Sachlichkeit zurückzufinden – streitbar unter Demokrat*innen, aber vereint gegen Diskriminierung.

Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit, Konsequenzen

Der breite Aufstand der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus in den letzten Wochen im ganzen Land ist ein wichtiges Zeichen für gesellschaftliches Miteinander statt Spaltung. Er macht Mut und ist zugleich ein politischer Auftrag, die Haltung der Mehrheit im Land aufzunehmen und die nötigen Hebel in Bewegung zu setzen. Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit, Konsequenzen – das sind die Forderungen der Angehörigen der Opfer und Überlebenden des Anschlages in Hanau. Wir stehen an ihrer Seite.

Betroffene schützen und unterstützen

Neben repressiven Maßnahmen gegen Rechtsextremismus müssen wir diejenigen unterstützen, die zur Zielscheibe von Hass und Gewalt werden. Sie brauchen verlässliche Anlaufstellen mit rechtlicher und psychosozialer Beratung. Diese Angebote müssen dauerhaft und verlässlich finanziert werden. Um Betroffene auch im digitalen Raum besser zu schützen, braucht es ein digitales Gewaltschutzgesetz. Wir müssen zudem einen würdevolleren Umgang mit den Opfern rechtsextremer Gewalt und ihren Hinterbliebenen finden. Zu oft wurde in der Vergangenheit über sie gesprochen, anstatt mit ihnen. Damit Betroffene eine feste Anlaufstelle haben, haben wir das Amt des Opferbeauftragten geschaffen. Die staatliche Unterstützung für Opfer von Terrorismus und ihre Angehörigen müssen wir auch finanziell weiterhin stärken.

Aufklärung und Erinnerung vorantreiben

Wir teilen den Wunsch der Hinterbliebenen und der Zivilgesellschaft nach lückenloser Aufklärung und Aufarbeitung rassistischer, antisemitischer und (rechts-)terroristischer Anschläge in Deutschland. Noch immer bleiben Hintergründe und Netzwerke zu oft im Dunkeln. Dieses Aufklärungsdefizit müssen wir beheben. Als Gesellschaft ist es unsere Pflicht, aus rechtem Terror die richtigen Konsequenzen zu ziehen und die Erinnerung an die Taten wachzuhalten. Deshalb müssen wir unter anderem die Finanzierung zur Umsetzung des NSU-Dokumentationszentrums und des Archivs rechte Gewalt absichern.

Rechtsextreme Netzwerke in den Blick nehmen und verfolgen

Unsere Sicherheitsbehörden müssen in die Lage versetzt werden, rechtsextreme Strukturen effektiv zu erkennen und zu verfolgen. Dazu gehören insbesondere die Finanzstrukturen, auch im internationalen Kontext. Rechtsextreme Netzwerke haben sich über Jahrzehnte hinweg global organisiert und finanziert. Die Zusammenarbeit zwischen Sicherheits- und Finanzbehörden muss verbessert werden. Wir haben bereits dafür gesorgt, dass Extremist*innen in Zukunft schwieriger legal an Waffen gelangen können. Wer den Sicherheitsbehörden als Verfassungsfeind*in bekannt ist, darf keine Waffen besitzen. Das muss nun auch konsequent durchgesetzt werden. Wir werden den Zugang zu Schusswaffen und anderen gefährlichen Waffen weiter einschränken und das Waffenrecht verschärfen.

Sicherheitsbehörden besser ausstatten

Die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt (BKA) müssen so aufgestellt sein, dass sie das Personal, die Technik, das Knowhow und auch die Befugnisse haben, die sie für eine effektive Aufgabenerfüllung benötigen. Wir modernisieren die gesetzlichen Grundlagen der Bundespolizei und passen sie an neue Bedrohungslagen an. Dazu gehört auch die Stärkung polizeilicher Ermittlungen im digitalen Raum. Sicherheitsbehörden müssen für alle Menschen verlässliche und vertrauenswürdige Anlaufstellen sein. Mit dem Polizeibeauftragten des Bundes haben wir eine Anlaufstelle für Polizist*innen und Bürger*innen geschaffen, die wir stärken und weiterentwickeln wollen. In der Aus- und Fortbildung von Polizist*innen wollen wir für Diversität sensibilisieren und eine gute Fehlerkultur entwickeln. Polizeiliches Handeln und Einstellungsmuster sind in Deutschland vergleichsweise wenig erforscht. Deshalb wollen wir die Polizei stärker für wissenschaftliche Forschung öffnen.

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