Laudatio si– Zum Tod von Papst Franziskus.

Von Franziska Brantner und Sven Giegold
„Laudato si´, mi´ Signore, con tucte le tue creature“. Mit diesem Satz aus dem „Sonnengesang“ des Heiligen Franz von Assisi lässt Papst Franziskus seine Ökologie-Enzyklika beginnen. Es ist ein Schlüsselsatz für sein gesamtes Pontifikat und er meint ein Gotteslob, das alle Geschöpfe umfasst. Es ist der Kern, aus dem sich die Ökologie des Papstes entwickelt.
Ganz grundsätzlich stand Franziskus für ein einbeziehendes und nicht ausschließendes und ausgrenzendes Christentum. Dafür kämpfte er und das machte er immer wieder deutlich. Angefangen mit einer Amtsauffassung, in der für rote Papstschühchen, schwere Limousinen und palastartige Wohnungen kein Platz mehr war. Der Papst wollte nicht über den Menschen stehen. Seinen Gedanke von der Gleichheit und gleichen Würde aller Menschen machte er auch gegenüber einem US-Vizepräsidenten Vance deutlich, der die christliche Auffassung der Nächstenliebe durch ein auf Familie und Nation zugeschnittenes Konzept begrenzen und relativieren will. Franziskus wollte das genaue Gegenteil einer solchen, letztlich eigentlich völkischen Mitmenschlichkeit. Seine Sorge galt besonders Armen, Geflüchteten und Migrant:innen. Das ist für einen Papst aus dem globalen Süden nur konsequent und menschlich authentisch.
Das Lob von Schöpfung, Mitgefühl und Verantwortung enden bei Franziskus zweitens auch nicht an der Gattungsgrenze. Sie erstrecken sich nicht nur auf Menschen, sondern auch auf die Mitkreatur und die gesamte Natur. Dieser Gedanke fundiert die christliche Ökologie, die er in der nach ihren Anfangsworten benannten Enzyklika „Laudate si´“ entwirft. Und augenfällig wird dabei auch die Rolle, die für Franziskus die Schönheit der Natur als Quelle von Mut und Hoffnung in dunkler Zeit dabei spielt. Auch die politische Brisanz ist augenfällig. Franziskus Ökologie steht quer zu jeder kruden Naturausbeutung und ganz aktuell auch zum „drill, baby, drill“, mit dem die Trump-Administration einen alten, alle Bodenschätze rücksichtslos ausbeutenden Extraktivismus wieder aufleben lassen will.
Von der besonderen Verbindung von inklusiver Nächstenliebe und umfassendem Lob der Schöpfung her ist es schließlich drittens wenig verwunderlich, wenn die Ökologie von Papst Franziskus ausdrücklich eine „soziale Ökologie“ ist. Die Menschen, ihre Mitgeschöpfe und die ganze Natur werden darin nicht voneinander getrennt und ganz verschiedenen Registern zugeschlagen, sondern ganzheitlich in ihrem engen Zusammenhang gesehen. Franziskus’ Ökologie ist ein entschiedener Gegenentwurf zu jener brutalen Verbindung von sozialer und ökologischer Rücksichtslosigkeit, die heute manche Politik- und Wirtschaftskonzepte wieder prägt.
Franziskus’ Pontifikat wird von Vielen als ein Unfertiges und Unvollendetes gesehen. Darin drückt sich nicht zuletzt die Diskrepanz zwischen den großen Reformhoffnungen aus, mit denen es begann, und manchen Kehrtwendungen und langsamen und mühevollen Prozessen der Umsetzung, die folgten. Auch viele Katholikinnen und Katholiken in Deutschland, die sich auf einen Synodalen Weg begeben haben, sind enttäuscht über teilweise magere Reformergebnisse, eine über weite Strecken fortbestehende Marginalisierung von Frauen in ihrer Kirche oder eine viel zu spät und zu schleppend in Gang gekommene Aufarbeitung des Missbrauchs.
Doch trotz solcher Enttäuschungen hat Franziskus viele Türen geöffnet. Beim Thema Ökologie hat er sogar eine riesige Pforte aufgestoßen, durch die „Laudato si´“ eines Tages möglicherweise sogar neben die große Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ treten wird. Denn hier hatte die Katholische Kirche sich intensiv mit den sozialen Problemen zu beschäftigen, die mit der Industriegesellschaft heraufgezogen sind. Tatsächlich hat die Industriegesellschaft aber nicht nur die menschlichen Sozialbeziehungen, sondern eben auch die menschlichen Naturbeziehungen tiefgreifend umgewälzt. Hier liegt nichts Geringeres als das zweite Megaproblem unserer Moderne. Dass Franziskus es für seine Kirche kraftvoll angegangen ist, wird bleiben und nachwirken.
Und es ist ein Verdienst auch für viele nicht-religiöse Menschen, die sich ebenfalls in der ökologischen Frage engagieren. Denn bei der Bearbeitung großer Themen ist ja stets ein Chor unterschiedlicher Stimmen am Werk. Wenn Katholikinnen und Katholiken aus ihren besonderen Motiven heraus für den „Erhalt der Schöpfung“ kämpfen, dann ist das gut auch für jene, die es aus anderen Motiven tun. Denn neben einem christlichen Lob für und Staunen über Gottes Schöpfung und ihre Schönheit gibt es viele weitere Gründe, um für Klimaschutz und gegen Artensterben aktiv zu werden - aus Sorge um die Zukunft der Kinder und Enkel, aus Begeisterung für effektive und sinnvolle neue Technologien, aus unternehmerischem Weitblick, aus einem naturästhetischem Empfinden auch jenseits von religiösen Haltungen, aus Heimatliebe und anderem mehr. Wir benötigen alle diese Perspektiven und Motivationen im gemeinsamen Engagement. Und wir brauchen eine breite Schnittmenge der Perspektiven. Sie kann helfen, damit möglichst Viele an einem Strang ziehen. Dass Franziskus hierfür die Stimme seiner Kirche deutlich eingebracht hat, ist ein großer Gewinn für Alle.
Unverkennbar sind in Franziskus’ Ökologie auch die Armuts- und Verzichtsmotive des Heiligen Franz. Damit erhält seine Ökologie eine große moralische Aufladung. Das ist aufgrund der Schwere der Probleme nachvollziehbar und hat in dieser Klarheit viele Menschen überzeugt und zum Handeln motiviert. Man wünschte uns allen einen solch klaren Blick.
Allerdings sollte der moralisch-normative Blick auf die Dinge auch zu keinem Moralismus des erhobenen Zeigefingers führen. Denn der schreckt ab und erschwert die breite Einbeziehung ins gemeinsame Engagement. Zudem kommt es bei der Bewältigung der großen ökologischen Probleme auch nicht nur auf die Moral und den guten Willen der einzelnen an. Es gibt zahlreiche strukturelle Probleme, die sich in einem CO2-basierten Wirtschaftskreislauf verfestigt haben und von individuellem Handeln nicht unbedingt zu lösen sind. Es braucht kluge staatliche Regeln, die Freisetzung konstruktiver Marktkräfte sowie die Begeisterung der Bürger:innen für Klimaschutz und die Entwicklung umweltschonender Techniken, mit denen sich schwarze Zahlen schreiben lassen. Der individuelle Verzicht auf unsinnigen Konsum kann wichtige Beiträge leisten. Der einzige oder der Königsweg zur Überwindung der ökologischen Krise ist er wohl nicht. Trotzdem bleibt moralische Klarheit wichtig für den Schutz der Lebensgrundlagen. Die grüne Bewegung muss darum ringen, eine eigene wertegebundene Sprache zu behalten und sie gegen Versuche des Lächerlich-Machens der Bewahrung der Schöpfung zu verteidigen. Papst Franziskus erinnert uns alle in der ökologischen Bewegung, welche Kraft von einer ökologisch-sozialen Moral ausgehen kann, die urteilt, aber sich nicht über andere erhebt.
Nun wird es darauf ankommen, ob sein Nachfolger bereit ist, durch die Türen, die Franziskus geöffnet hat, auch wirklich zu gehen. Die Spannung zwischen einem weltoffenen und liberalen Geist und Populismus und Ultrakonservatismus, die wir überall verspüren, gibt es auch in der Katholischen Kirche. Trump und sein Vize Vance träumen davon, einem rückschrittlichen und reaktionären Christentum den Weg zu bahnen. Sie stehen weithin für das Gegenteil von dem, was Franziskus wollte. Die kommende Papstwahl wird eine wichtige und hochpolitische Angelegenheit.